Ich hatte vor kurzem mit meinem Barber eines dieser Gespräche, die länger im Kopf bleiben als der Haarschnitt selbst.
Ich sagte zu ihm, dass er immer so
unglaublich gut gelaunt wirkt – und fragte halb im Scherz, ob das an
Medikamenten liegt oder ob das einfach seine Natur
sei.
Seine Augen strahlten so warm und klar, dass man fast
vergisst, worüber man gerade gesprochen hat.
Er
erzählte mir dann, dass diese Ausstrahlung kein Zufall ist – und auch nicht
immer so war. Noch vor zwei Jahren war er nur Haut und Knochen, hat nachts
höchstens vier Stunden geschlafen und sich von Sorgen auffressen
lassen.
Er hat
alles und jeden an sich herangelassen: jede spitze Bemerkung, jede enttäuschte
Miene, jede schlechte Nachricht – bis er komplett ausgebrannt
war.
Dann kam der Wendepunkt. Heute, sagt er, hat er vor
seiner Haustür eine unsichtbare Mülltonne stehen. Und alles, was nicht wirklich
wichtig fürs Leben ist, landet da drin:
- Alle Kleinigkeiten, alles, was nicht lebensnotwendig ist
- Das Gemecker des Lebenspartners
- Negative Schlagzeilen aus den Nachrichten
- Unfreundliche Kunden
- Schlechte Laune von Fremden im Supermarkt
- Das Gedränge im Berufsverkehr
- Ungerechte Kommentare im Internet
- Stress wegen Dingen, die er eh nicht ändern kann
- Über das Wetter, so wie es gerade ist
- Die Erwartungen anderer, die nicht zu seinem Leben passen
- Diese inneren Monologe, in denen wir uns für alte Fehler geißeln
Mülltonne auf, rein damit – und alle 14 Tage wird sie abgeholt und entsorgt. Keine Mühe, kein Nachdenken, kein Grübeln.
Und, fuhr er fort, seitdem macht er einen großen Bogen um alles, was ihn herunterzieht. Er schenkt Menschen mit ständigem Groll oder Pessimismus kein Ohr mehr und verbringt seine Zeit nicht länger mit denen, die ihm nur Energie rauben und ihm nicht gut tun…
Das ist keine Resignation, sondern kluge Selbstfürsorge. Und eine sehr erwachsene Form von Freiheit: die Fähigkeit, nicht alles zu behalten, nur weil es einem vor die Füße fällt oder es andere Menschen dahin schmeißen.